Literarische Spaziergänge durch Paris:
Die Kunstszene in Paris als neue Heimat
Wegen des geistig und kulturell äußerst lebhaften öffentliche
Kulturlebens war die Stadt Paris für viele Generationen von Künstlern und
Literaten aus aller Welt in verschiedenen Epochen ein großer Anziehungspunkt.
Insbesondere die jungen Schriftsteller der "Lost Generation", die aus dem puritanisch
geprägte Amerika der Prohibitionsära nach Paris gekommen waren, suchten
in der französichen Metropole eine neue - zumindest geistige und kulturelle
- Heimat.
Das Leben in Paris war für diese Literaten jedoch nicht immer leicht, die meisten
wohnten in schäbigen Zimmern am linken Seineufer. So wurden die halböffentlichen
Treffpunkte und Literatencafes auch desshalb zu Zentren des geistigen, philosophischen
und künstlerischen Austausches, weil man hier der eigenen bescheidenen Situation
entfliehen konnte.
Die Motive, nach Paris zu gehen, waren vielfältig.
Allein die äußere Erscheinung der mondänen Großstadt, mit Ihren
vielen Gegensätzen von eleganten großen Boulevards aber auch engen kleinen
Straßen und Vierteln, die Präsenz des großen kulturellen Reichtums,
das Leben der Großstadtbohemiens neben dem Leben der "kleinen Leute"
von Paris - die Stadt stellte für viele das äußeres Abbild ihrer
eigenen, inneren Seele oder deren Sehnsucht dar. Viele, die nach Paris kamen, waren
auf der Suche nach irgend etwas: nach der Kunst, sich selbst, der Liebe oder sie
flohen hier in den Alkohol.
Und sehr oft waren es gerade die "halböffentlichen" Orte, die Literaten-
und Philosophencafes, in denen die Künstler eine Art zweite Heimat in der Fremde
fanden. Hier erschufen Sie für sich mit den Gleichgesinnten, die sie trafen
eine Art "geistige" Familie.
Gertrude Stein - Rue de Fleurus (Nahe Jardin
du Luxembourg)
Der
Begriff „Lost generation“, verlorene Generation, war von der amerikanischen Schriftstellerin
Gertrude Stein (1874-1946) für eine Gruppe von amerikanischen Schriftstellern
geprägt worden, die durch durch die Teilnahme an bzw. die Erfahrungen des 1. Weltkriegs stark
beeinflußt waren und darin ein Symbol des allgemeinen Zusammenbruchs und der
persönlichen Desillusionierung sahen. Sie bezog sich auf Autoren wie F.S. Fitzgerald (1896-1940),
Ernest Hemingway (1899-1961) und John Rjjoderigo Dos Passos (1896-1940). Literatisch leiteten
diese Autoren eine Umprägung des realistischen Romans hin zum Illusionslosen
ein.
Zu dem Begriff Lost generation merkte Hemingway an, „daß alle Generationen
durch irgend etwas verloren waren und immer gewesen waren und immer sein würden.“
Gertrude Stein, Tochter einer wohlhabenden deutsch-jüdischen Familie, lebte
seit 1902 in Paris und bildete hier den Mittelpunkt eines Kreises von Malern und
Schriftstellern, deren Stil sie nachhaltig beeinflußte.
In ihrem luxuriösen Apartment in der 27 Rue de Fleurus, an der Ostseite des
Jardin du Luxembourg gelegen, empfingen Gertrude Stein und ihre Lebensgefährtin
Alice B. Toklas Autoren wie Ezra Pound, Hemingway, sowie die Maler Matisse, Picasso, Braque und Gaugin.
James Joyce und Hemingway - Rue du Cardinal Lemoine
Einen literarischen Spaziergang kann man vor der rue du Cardinal Lemoine,
Nummer 71, beginnen. Hier steht man vor dem Haus, in dem der irische Schriftsteller
James Joyce seine Arbeit an "Ulysses" beendete. In der gleichen Straße,
rue du Cardinal Lemoine, in Haus Nummer 74 lebte von 1922 bis 1923
der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway mit seiner Frau Hadley und dem
gemeinsamen Sohn.
Hemingway brach am 8. Dezember 1921 nach Paris auf und kam kurz vor Weihnachten mit
seiner Frau Hedley hier an. Er mietete eine billige Wohnung an. Da er kein Geld hatte,
um auszugehen, wanderte er oft lange durch den Jardin du Luxembourg.
Seine
Bücher lieh er sich übrigens in dem Bücherladen "Shakespeare & Company"
von Sylvia Beach.
Er lebte von dem Geld, dass er als Autor für den Toronto Star bekam. 1923 zog
er nach Montparnasse. Hemingway verließ Paris 1928 und kam erst 1944 zurück.
(Siehe auch: die Geschichte des Hotel Ritz)
Rue Descartes - Hemingway und Verlaine
Von der Rue du Cardinal Lemoine geht man weiter in die Rue Descates. Denn geschrieben
hat Hemingway in der Rue Descartes Nummer 39, in einem billgen Hotelzimmer.
Steht man vor dem Haus findet man im Erdgeschoß ein schäbiges Lokal mit
dem Namen "La maison de Verlaine". Das Hotel wurde später zu einem
Wohnhaus umgebaut. In diesem Hotel in der rue Descartes, starb 1896 der Dichter Verlaine,
nachdem die Kneipe benannt ist.
Rue Mouffetard - George Orwell
Man geht
die rue Descartes entlang, die in die Place de la Contrescarpe mündet.
Die südliche Verlängerung der Rue Descartes ist die Rue Mouffetard, eine Straße,
die bei Parisbesuchern wegen ihres bunten Marktes und lebhaften Charakters sehr
beliebt ist. In einer der Seitenstraßen, in der Rue du Pot de Fer wohnte Eric Blair
alias George Orwell in der Zeit, als er sich in Paris als Tellerwäscher
durchschlug.
Rue Tournefort - Balzac und Merimee
Etwas
weiter biegt man von der rue du Pont de Fer dann rechts ab und gelangt in die rue
Tournefort. Diese hieß früher rue Neuve Geneviève. In
dieser Straße spielte ein Großteil der Handlung von Balzacs (1799-1850)
"Pere Goriot". In der rue Tournefort lebte 1820 in dem Haus Nummer 25 der
Romancier Prosper Merimée.
Paris - Ein Fest fürs Leben
Geht
man in der rue Tournefort weiter, die dann in die rue de l’Estrapade mündet
kann man hier die Wegbeschreibung aus Hemingways "Paris - Ein Fest fürs
Leben" folgen:
„Ich ging hinunter am Lycée Henri-Quatre vorbei und an der uralten Kirche
Saint-Etienne-du-Mont und der windgepeitschten Place du Panthéon und bog schutzsuchend
rechts ab und kam schließlich auf der vom Wind geschützten Seite des Boulevard
Saint-Michel heraus und arbeitete mich weiter hinunter am Cluny vorbei und überquerte
den Boulevard Saint-Germain, bis ich auf der Place Saint-Michel zu einem guten Café
kam, das ich kannte.“
Rue Gît le Coeur
Hat
man sich hier gestärkt geht man weiter Richtung Place St. Michel. Nicht weit
von hier, in der rue Gît le Coeur, nahe der Seine, ist das Relais "Hotel
du Viex Paris". Hier stiegen in den 50er Jahren die Autoren der "Beat Generation"
Jack Kerouac und Allen Ginsberg ab. Ganz in der Nähe liegt auch die Rue Saint-Andre-des-Arts.
Hier war früher das Lokal "Le Gentilhomme", in dem sich Jack Kerouac
angeblich bevorzugt betrank. Heute ist dort ein Irish Pub mit Namen "Corcoran's".
Die Notizbücher des Reiseschriftstellers Bruce Chatwin
Die
rue Saint-André-des-Arts mündet in die rue de l’ancienne Comédie,
wo der legendäre britische Reiseschriftsteller Bruce Chatwin (1940-1989), der
sich selbst mit seinen "Schnappschüssen" als eine Art literarischer
Cartier-Besson sah, seine Moleskin-Notizbücher kaufte, die jetzt, nach seinem
letzten Willen in der Bodleian Library in Oxford stehen. Dort dürfen Sie vor
dem Jahr 2010 nicht der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden.
Sylvia Beach half Joyce und Hemingway
In
der Rue de l'Odeon, über die man in der Verlängerung über die der
Rue de l’ancienne Comédie und den Boulevard Saint-Germain gelangt, führte
Sylvia Beach die damalige Buchhandlung „Shakespeare & Company“-Buchhandlung.
Sylvia Beach lieh Hemingway Bücher und Geld.
Auch Joyce, Henry Miller und Ezra Pound waren hier Stammgäste.
Für
den englischen Schriftsteller irischer Abstammung James Joyce (1882-1941) lektorierte,
tippte und verlegte Sylvia Beach den "Ulysees", für den sich damals
kein Verlag fand.
Das große Romanwerk, an dem Joyce 7 Jahre gearbeitet hat, schildert die Erlebnisse,
Gedanken und Empfindungen des Anzeigenmaklers Leopold Bloom, seiner Frau Marion und
es jungen Dedalus während eines Tages im Jahr 1904 in Dublin in 18 Szenen, die
wiederum in zu bestimmen Abschnitten der Odysee in Beziehung gesetzt werden. Mit
diesem Werk werden in der Literatur neue Bereiche in der Sprache erschlossen wie
z.B. das Unbewußte, der innere Monolog wird eingeführt, es werden gewagte
stilistische Formen erprobt und zahlreiche literatische Bezüge hergestellt.
Eines von Hemingway's Lieblingscafes: Café Pré aux Clercs
Wenn man von der Straße St-André-des-Arts rechts in die Rue Jacob abbiegt,
so ist an der Kreuzung zur Rue Bonaparte das Café Pré aux Clercs,
eines von Hemingways Lieblingscafes.
In dem Hotel d’Angleterre verbrachte er in Zimmer 14 seine erste Nacht in Paris.
Picassos Atelier
Biegt man von der Rue St-André-des-Arts in die Rue des Grands Augustins so befindet
sich auf der rechten Seite das Haus Nummer 7, in dem Picasso viele Jahre sein Atelier
hatte und in dem auch das Gemälde Guernica entstand. Hemingway traf Picasso
hier übrigens 1946.
Boulevard Saint-Germain: Cafe de Flore und Les Deux Magots
Geht man den Boulevard Saint-Germain weiter in Richtung Westen gelangt man zu dem
"Treffpunkt der französischen Existenzialisten", dem Cafe „Les Deux Magots“ und dem
„Café de Flore“. Der mit Kurzgeschichten und Romanen hervorgetretene amerikanische
Schriftsteller Truman Capote lästerte über, Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir beide hätten
dort wie "wie zwei traurige Bauchrednerpuppen" in der Ecke gesessen ...
Über die Beauvoir und Sartre ist so viel gedacht und geschrieben worden, dass
wir dem Thema bald eine eigene Seite widmen werden. Gewohnt haben beide lange Zeit
in der Rue de Seine im Hôtel de Louisiane.
Rue des Beaux-Arts- Oscar Wilde und Luis Borges
Vom
Boulevard Saint-Germain gelangt man über Rue de Seine oder die Rue de Bonaparte
in die Rue des Beaux-Arts. In der Nummer 13 der Rue des Beaux-Arts steht ein Hotel,dass
heute schlicht „L’Hôtel“ heißt.
Früher war dies das „Hôtel d’Alsace“.
Hier starb am 11. November 1900 verlassen und verspottet der 1854 in Dublin geborene
Schriftsteller Oscar Wilde. (Am bekanntesten das 1890 erschienene "Das Bildnis
des Dorian Grey").
Im gleichen Hotel wohnte auch der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges (1899-1986) bei
seinen zahlreichen Besuchen in Paris zwischen 1977 und 1984.
Südlich des Boulevard Saint-Germain
In der Gegend südlich des Boulevard Saint-Germain lebten viele Autoren
der „lost generation“. Der amerikanische Schriftsteller William Faulkner (1867-1962), der
1949 den Literaturnobelpreis erhielt, lebte einige Monate in der 42 Rue de Vaugirard.
In der Rue Férou Nummer 6 bewohnte Hemingway einige Jahre ein Apartment.
In der Rue Notre Dame Nummer 70 lebte der amerikanische Dichter Ezra Pound (1885-1972) in einer
Wohnung mit Umzugskisten als Mobiliar.
In der gleichen Wohnung lebte die amerikanische Journalistin und Schriftstellerin
Katharine Anne Porter (1890-1980) im Jahr 1934. Sie wurde bekannt durch Ihre Kurzgeschichten
und den allegorischen Roman "Ship of fools" Narrenschiff (1962).
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